Zwischen zwei historischen Lauben prangt die Illustration von BITTE NICHT ANFASSEN!

Das Vermächtnis des Dr. Schreber – das Kleingärtnermuseum in Leipzig 

BITTE NICHT ANFASSEN! #30 – Das Kleingärtnermuseum in Leipzig

Show Notes 

Leipzig ist nicht nur bei jungen Leuten angesagt, sondern auch (und das schließt sich nicht aus) bei Kleingärtnerinnen und Kleingärtnern. Leipzig ist sogar DIE Kleingarten-Hochburg in Deutschland mit rund 32.000 Anlagen. Zurück geht das auf den Leipziger Turnfan Dr. Moritz Schreber.  

Dabei wollte der Arzt doch eigentlich nur, dass Kinder mehr draußen spielten. Erlebt hat das der Arzt zwar nicht mehr, ist aber zum Namensgeber dieser speziellen Grünflächen geworden: die Schrebergärten. 

Wo also, wenn nicht hier ein Museum für Kleingärten aufmachen. Ralph hat dort Leiterin, Diplom-Museologin und – natürlich! – Kleingartenbesitzerin Caterina Paetzelt getroffen. Mit ihr reisen wir vom 18. Jahrhundert bis in die Gegenwart.  

#podcastdeutsch #museenentdecken #wissenschaft #museum #Leipzig #kleingarten #Schreber #Laube #Garten #Industrialisierung #Geschichte 

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Hilfreiche Links: 

Literatur zum Kleingartenwesen: https://www.kleingarten.de/verbandsnews/4180/der-bdg-informiert—januar-2022—100-jahre-organisiertes-kleingartenwesen 

Literatur zum Schrebergarten: https://www.amazon.de/150-Jahre-StadtErnte-Geschichte-Schreberg%C3%A4rten/dp/3981628810 

Foto des Laubengartens: https://www.escucha.de/wp-content/uploads/Laubengarten-scaled.jpg 

Foto Kirschbaumlaube Außen: https://www.escucha.de/wp-content/uploads/Kirschbaumlaube-Aussen-scaled.jpg

Foto Kirschbaumlaube Innen: https://www.escucha.de/wp-content/uploads/Kirschbaumlaube-Innen-scaled.jpg 

Infos zu Regeln im Kleingarten: https://www.mdr.de/mdr-garten/podcast/audio-kleingarten-gesetz-sinn-unsinn-100.html 

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Infos zum Museum:  

Deutsches Kleingärtnermuseum 

Aachener Straße 7 

04109 Leipzig 

https://www.kleingarten-museum.de

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über BITTE NICHT ANFASSEN!:  

Woran denkst du beim Wort Museum? An weltberühmte Ausstellungsstücke wie Sarkophage ägyptischer Pharaonen, an Gemälde von Picasso oder an technische Erfindungen wie das Automobil? Denkst du an das Deutsche Museum in München, das Pergamon-Museum in Berlin oder an das Städel in Frankfurt? Wir – das sind Ralph Würschinger und Lukas Fleischmann – denken beim Wort Museum an etwas Anderes: an Milbenkäse, Mausefallen, an Flipper-Automaten, Nummernschilder oder auch an Gartenzwerge. Denn die schätzungsweise 7.000 Museen in Deutschland haben so viel mehr zu bieten als das Angebot der großen Häuser. 

Mit „BITTE NICHT ANFASSEN – Museum mal anders“ begeben wir uns an kleine Orte, in Seitengassen großer Städte, um die kleinen und alternativen Ausstellungen zu finden, von denen du vermutlich noch nie gehört hast. 

Pro Monat erscheint eine Folge, für die einer von uns beiden ein besonderes Museum besucht und sich mit dem jeweils anderen darüber austauscht. Dabei kommen Museumsbetreiberinnen und -betreiber zu Wort, aber auch die Exponate an sich werden hörbar gemacht. 

Dieser Podcast ist für Museumsliebhaber, für Mitarbeiter aus dem Museumsbereich und für alle, die sich für Kunst, Kultur und Technik-Geschichte interessieren und skurrile Stories mögen. 

BITTE NICHT ANFASSEN! ist eine Produktion von Escucha – Kultur für’s Ohr. 

Mehr Infos auf https://www.escucha.de/bitte-nicht-anfassen/ 

 
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Kontakt: 
Instagram: https://www.instagram.com/bittenichtanfassen_podcast/  
E-Mail: info[at]escucha.de  

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Podcast-Credits:  
  

Sprecher: Lukas Fleischmann, Ralph Würschinger  
Produktion: Escucha GbR  
Podcast-Grafik: Tobias Trauth; https://www.instagram.com/don_t_obey/  
Intro/Outro: Patrizia Nath (Sprecherin) https://www.patrizianath.com/, Lukas Fleischmann (Musik)  

Wenn euch der Podcast gefällt, dann abonniert uns und empfehlt uns weiter. Welches Museum sollen wir unbedingt vorstellen? Schreibt uns eure Vorschläge! 

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Transkript 

Caterina Paetzelt 

Um es gleich vorwegzunehmen Dr. Schreiber ist erst posthum Namensgeber geworden. Und Dr. Schreiber hatte auch nie die Idee, einen Kleingarten zu gründen. Dr. Schreiber wollte eigentlich nur, dass sich die Kinder, die er schon viel in der Schule sitzen mussten, viele, viele Stunden lang, dass die sich eigentlich sportlich betätigen.   

INTRO 

Ralph 

Hallo und herzlich willkommen zu einer neuen Ausgabe von Bitte nicht anfassen. Museum mal anders. Mein Name ist Ralph. 

Lukas 

Und mein Name ist Lukas und wir stellen euch einmal im Monat kleine, skurrile, alternative und liebenswerte Museen vor und vor allem die Geschichten dahinter. Und wenn ihr uns kennt, dann wisst ihr, dass wir normalerweise immer zu Beginn eines jeden Monats publizieren. Aber heute ist es anders, Denn heute ist der 19. Mai und das ist der Internationale Museumstag. 

Ralph 

Da konnten wir es natürlich nicht lassen, diesen Tag zu feiern und eine extra Episode rauszuhauen. 

Lukas 

In Deutschland gibt es schätzungsweise über 7.000 Museen, und das ist natürlich eine Auswahl. Die müssen wir mit Bitte nicht anfassen erst mal abklappern. Aber die meisten Museen, die wir besucht haben, die machen eine wahnsinnig tolle Arbeit. Viele davon ehrenamtlich, viele davon mit einfach unglaublich viel Engagement, Potenzial. Und wir freuen uns, einfach jedes Mal in den Museen zu sein. Und deswegen freuen wir uns, wenn wir mit dieser Bitte nicht anfassen Museumstags Folge einen kleinen Beitrag dazu leisten können. 

Ralph 

In der vergangenen Folge hatten wir Julia Rübisch zu Gast und sie ist an Stelle von uns ins Bikiniartmuseum gegangen, in Bad Rappenau in Baden Württemberg. Kannst du dich noch dran erinnern, worum es da ging? 

Lukas 

Ja da hab ich viel gelernt über die Geschichte des Bikini. An der A6 Autobahnausfahrt Bad Honnef im Bikini Museum liegen und dass man da freien Eintritt bekommt, wenn man in dieses Museum mit einem Surfbrett und mit Badehose reingeht. Was ich auch ziemlich witzig finde. 

Ralph 

Und du hast ja auch gesagt, du möchtest da gern mal reingehen. Wenn du’s machst, mach ein Foto. 

Lukas 

Ja, Ja, mach ich auch. Ich habe überlegt. Ich hab einen Ständer. Paddleboard. Vielleicht kann ich das ja auch als Surfbrett dann sozusagen verkaufen und dann mal gucken. Na, wir werden sehen. Wir werden sehen. Genau. Das heißt aber, weil die letzte, ich sage mal, reguläre Folge, die kam ja von mir. Das ging ja. Dann waren wir im Gießkannenmuseum in Gießen. 

Das heißt, dass du jetzt in dieser Folge dran bist. Und ich bin schon ganz gespannt, was du mir da mit eingepackt hast. 

Ralph 

Ja, dann packen wir doch mal aus. Und zwar war ich in Leipzig und Leipzig, da warst du auch schon mal, wir waren gemeinsam sogar in Leipzig. Wenn du jetzt an Leipzig denkst, woran denkst du da? 

Lukas 

Ich denk an Hipsterviertel. An die Thomaserkirche. Johann Sebastian Bach. Ich denk an die Buchmesse. Ich denk an krasse Altbauviertel. Und vielleicht noch an Connewitz. Connewitz, wo die Autos brennen. 

Ralph 

Also wirklich sehr unterschiedliche Sachen, sehr viele unterschiedliche Facetten. Ich fand es interessant, dass deine allererste Assoziation, die Hipsterviertel sind. Na ja, es gibt aber noch eine Sache, an die du jetzt dann hoffentlich denkst, wenn du an Leipzig denkst. Und zwar Kleingärten. 

Lukas 

Kleingärten? 

Ralph 

Leipzig hat deutschlandweit die höchste Kleingartendichte. Bezogen auf die Einwohnerzahl, das heißt auf 100 Einwohner kommen circa sechs Kleingärten. Im Vergleich dazu ist es jetzt in anderen Städten wie jetzt Berlin oder Hamburg da ist es so, dass nur zwei Gärten auf 100 Einwohner kommen. Und wenn man das Ganze jetzt mal hochrechnet, dann bedeutet das, dass in Leipzig rund 100.000 Leute, Kleingärtner bzw. Kleingärtnerinnen sind. 

Lukas 

100.000 Leute sind in Leipzig Kleingärtner:innen oder Kleingärtner? Krass, hä? Aber das ja, das ist ja ein bisschen viel. Wie soll das gehen? Das ist ja wirklich viel sehr. 

Ralph 

Ja, warum jetzt Leipzig für Kleingärten so bekannt ist, das werde ich dir im Laufe der Folge erzählen. Es ist auch so, dass die Kleingärten 1/3 der städtischen Grünflächen ausmachen in Leipzig. Und ich war, um natürlich jetzt wieder den Dreh zu Bitte nicht anfassen zu finden. Ich war im Kleingärtnermuseum, das behauptet von sich, das weltweit einzige seiner Art zu sein. 

Und ja, heute mach ich so ein bisschen Rundumschlag. Die Geschichte des Kleingartenwesens, auch den sozialen Wert von Kleingärten und ja, auch ein bisschen Punk wird drin vorkommen. 

Lukas 

Sehr geil. Kannst du mir vielleicht erst mal kurz erklären Was versteht man denn unter Kleingärten? Gibt es eine Definition? 

Ralph 

Eigentlich möchte ich später dazu kommen, aber ich kann es trotzdem jetzt mal vorwegnehmen: Als Kleingarten zählt nur ein Garten, der eine Drittelregelung hat, das heißt 1/3 des Gartens ist Erholungsfläche, 1/3 ist beispielsweise jetzt eine Laube oder ein Schuppen oder so, also irgendwas Häusliches und 1/3 Anbaufläche. Und nur wenn diese Kriterien erfüllt sind und auch nicht überschritten werden oder so, dann kann man erst von Kleingärten sprechen. 

Und dann gibt es natürlich noch verschiedene Regelungen, weil die Kleingartengärten, die sind ja in Vereinen organisiert. 

Lukas 

Also gut. 

Ralph 

Kleingärten waren auch nicht immer so, wie sie heute sind, aber da müssen wir, glaube ich, am Anfang anfangen. Ja, aber bevor wir das machen, ne kurze Frage Hast du denn eigentlich irgendeinen persönlichen Bezug zu Kleingärten? Gibt es da jemand in deiner Familie? Vielleicht hast du selber mal einen Kleingarten gehabt Oder hast. 

Lukas 

Du, nicht nur einen. Meine Eltern haben ja einen Kleingarten. Dann haben wir die Kleingärtnerei als Anbaufläche meiner Großtante übernommen. Das heißt, wir sind quasi voller Gärten und Kleingärtnern, alles Mögliche von Kartoffeln, Karotten, Salat im Sommer, Zucchini, Tomaten, alles Mögliche. Also wir sind da voll, voll drinnen und da du ja weißt, dass ich aus Bamberg komm. In Bamberg gibt es sogar die Gartenstadt, ein Stadtteil, in dem seit dem Mittelalter genauso Gärtnereien und Kleingärtnereien auch überall vertreten sind. 

Lukas 

Das heißt, ich bin eigentlich im Gartenbusiness, ziemlich up to date, okay. 

Ralph 

Aber da wäre ich ja gespannt, ob du auch über die Geschichte schon ganz viel weißt. Aber ansonsten ist es natürlich für viele Leute, die jetzt zuhören sehr aufschlussreich. Zumindest war es für mich sehr aufschlussreich. Ich habe nämlich gar keinen Bezug zu Kleingärten und die Person, die ich dir jetzt vorstellen werde, die hatte am Anfang auch keine Ahnung von Kleingärten. 

Caterina Paetzelt 

Ich hatte vorher auch keine Verbindung zum Kleingartenwesen, hatte viele mögliche und unmögliche Gedanken im Kopf. Endete dann darin, dass ich zwei Jahre später auch selber ein Kleingarten hier hatte, eine Anlage. 

Aufgrund der Arbeit und der Erkenntnis, dass ich das schön finde. 

Lukas 

Aufgrund der Erkenntnis, dass ich das schön finde, habe ich beschlossen, einen Kleingarten anzulegen. Sehr geil. 

Ralph 

Also, wen du jetzt gerade gehört hast, das ist Caterina Paetzelt, Sie ist Diplom Museologin und die Leiterin des Kleingärtnermuseums in Leipzig und sie hat mich so herumgeführt durch das Museum. Da muss ich dazu sagen Das Museum ist so aufgebaut, dass es einmal das Museumsgebäude gibt. Das befindet sich innerhalb einer Grünanlage und außen rum, wie es natürlich auch passt Zum Thema Es sind halt Kleingärten und es gibt dann sogenannte Schaugärten, die zum Museum gehören, die man sich angucken kann und die historischen Kleingärten aus unterschiedlichen Zeiten entsprechen. 

Wenn man jetzt in das Museum reingeht, dann stellt man schnell fest, dass das chronologisch aufgebaut ist. Also es geht wirklich um die Ursprünge und die Entwicklung das Kleingärtnerwesens und später kommen dann noch andere Aspekte dazu. Das heißt, ich fange jetzt auch mal bei dem Anfang an und es ist nämlich so, dass alles angefangen hat im England des ausgehenden 18. Jahrhunderts. 

Das heißt, wir sprechen von Industrialisierung, die ja die Arbeitsweise, aber auch die Lebensweise der Menschen stark verändert hat. Viele Leute sind dadurch in Städte gezogen, um dann in Fabriken zu arbeiten. Die Wohnpreise sind in den Städten gestiegen, Leute sind dann verarmt. Und dieser Verarmung entgegenzuwirken, hat sich dann im Jahr 1801 wie sagt man dann da eine Gesellschaft oder ein Verein dafür eingesetzt, diese Armut zu bekämpfen, nämlich die Society for bettering the conditions and increasing the conditions of the Poor hat dann 100 Parzellen an Fläche an bedürftige Familien günstig abgegeben und dann wurde darauf Kartoffelanbau betrieben und das war sozusagen der erste Kleingarten oder so ein bisschen Vorläufer, könnte man sagen. 

Und dann ist das rübergeschwappt auf Festland, Europa, genauer gesagt jetzt Deutschland. Da gab es den ersten Kleingärtner Verein in Norddeutschland, nämlich in Kappeln an der Schlei, und da kann dir Caterina Paetzelt was zu erzählen. 

Caterina Paetzelt 

Der allererste Kleingartenverein überhaupt, der wurde sogar schon 1814 in Kappeln an der Schlei gegründet, also im norddeutschen Raum und ausschlaggebend dafür, dass man heute von der ersten Gründung spricht, ist, dass dieses dieser Verein, der als Armenfürsorge angedacht war, sich eine Gartenordnung gegeben hat. Also die Gartenordnung ist ausschlaggebend für die Definition des Kleingartens. Wie gesagt, schon 1814, also schon ein Weilchen her. Die Anlage gibt es auch heute noch dort. 

Lukas 

1814. Krass, aber ja, interessant, dass Armenfürsorge und Kleingärten so zusammenhängen, hätte ich auch nicht gedacht. 

Ralph 

Das waren dann immer so 500 bis 1500 Quadratmeter große Felder, die dann die Leute nutzen konnten, um da Grundnahrungsmittel anzubauen. Ja, und der damalige Pachtvertrag, also diese Ordnung, von der Caterina Paetzelt gesprochen hat, die hatte auch schon einige Aspekte drin, die es heute immer noch gibt, nämlich einmal den Gemeinschaftspachtvertrag, dann eine jährliche Pachtzahlung, festgelegte Wegbreiten ganz wichtig und zum Beispiel auch Hecken als Einrichtung der Gärten. 

Und die Pächter waren überwiegend Handwerker, Arbeiter und Kaufleute. Das Modell, das hat sich dann aber irgendwie nicht so wirklich durchgesetzt, was zu teuer war für die wirklich armen Schichten. Und dann haben sich zeitgleich, würde ich es mal sagen oder ungefähr zur selben Zeit haben sich noch andere Ursprungslinien der heutigen Kleingärten herausgebildet. Das ist zum Beispiel Garten von Betrieben. Also es haben sich ja ganz viele Fabriken in der Zeit gegründet und die haben auch Land dazu gekauft und wollten versuchen, da die Arbeiterschaft anzusiedeln und damit auch zu ködern und bei der Stange zu halten, dass sie auch wirklich im Betrieb blieben. 

Und sie haben das auch teilweise an Konditionen geknüpft, zum Beispiel, dass Mitarbeitende, die eine Garten Parzelle haben wollten, dass die keine Gewerkschaft beitreten dürften. 

Lukas 

Also Union Busting mit Kleingärten. Auch interessant. 

Ralph 

Ja, ja, oder auch Eisenbahnverwaltungen haben öfter Gärten gehabt. Dass es neben den Schienentrassen das gibt, haben ja heute auch immer noch neben den Schienentrassen haben sich halt sehr viele Kleingärten herausgebildet. Also wenn jetzt heute nach Berlin fährst, dann siehst du links und rechts ganz viele Kleingartenparzellen. 

Lukas 

Aja. 

Ralph 

Und der andere Ursprungslinie sind Arbeiter, Gärten des Roten Kreuzes. Also das Rote Kreuz hat sich damals dafür eingesetzt, mittellose und kinderreiche Familien mit solchen Gärten zu versorgen, damit die wiederum Obst und Gemüse anbauen konnten und auch um den Familiensinn zu stärken und auch damit Männer dem Wirtshaus fernbleiben. Eine weitere Ursprungslinie, die sich herausgebildet hat, waren die sogenannten Berliner Laubenkolonisten. 

Ralph 

Hast du davon schon mal gehört? 

Lukas 

Nee, also eine Laube. Ist es so eine Gartenhütte, oder. Richtig. Und ich könnte mir vorstellen, Laubenkolonisten sind dann Leute, die halt vielleicht einfach in diesen Lauben dauerhaft wohnen und eine Kolonie haben. Und das könnte ja wiederum eine Vorform vom heutigen Schrebergarten sein. 

Ralph 

Ja, da komme ich später noch dazu. Aber du bist auf jeden Fall schon sehr nah dran. Im Detail wird’s der Caterina Paetzelt erklären. 

Caterina Paetzelt 

Berlin selbst als Stadt wurde 1871 Reichshauptstadt, und damit verbunden war ein starker Anstieg der dortigen Einwohnerschaft, weil natürlich viele Leute vom ländlichen Raum in den Großstadtraum gegangen sind, um dort Arbeit zu finden. Gründung von Fabriken. Ja, und die Leute gingen natürlich in die Stadt. Arbeit finden hat auch geklappt. Da war genug für alle da. Nur der Wohnraum war zu knapp. 

Und aus dieser Not heraus haben die Leute sich halt auf Freiflächen, die da noch waren, ja kleine Hütten zusammengebaut und haben da nicht gewohnt, ja gehaust und aus Ermangelung des Geldes haben sie sich jetzt selber auch Kartoffeln und Kohl angebaut. Das war alles sehr autonom. Also aus der Not heraus geborener Punk. Und wurde dann aber geschluckt durch die ersten Vereinsgründung. 

also die haben einfach gemacht, hatten natürlich das Problem, dass sie ständig wieder von den Flächen mussten. Mittlerweile gab es dann auch mobile Lauben oder gibt es auch schon wieder ein Gemeinschaftsgarten? So bewegliche Obstpflanzungen, also so was hatten die dann teilweise auch an irgendwelche Bretter Kisten gepflanzt, damit wir sie jedes Mal ausgraben mussten. 

Lukas 

Jo, ist er jetzt eine ähnliche Situation in Berlin? Ich kenne tatsächlich auch ein paar Leute, die mal in Berlin vorübergehend in der Laube gewohnt haben, weil sie keine Wohnung gefunden haben. 

Ralph 

Ach, echt? 

Lukas 

Ja, Kein Scheiß, kein Scheiß. 

Ralph 

Es gibt da noch weitere Ursprungslinien, auf die ich eingehe. Und noch zwei sind das eine davon, die auch im 19. Jahrhundert entstanden ist. Das ist die Naturheilbewegung. Die hatte da nämlich auch Gärten angelegt, um da ja verschiedene Veranstaltungen zu machen, um Gesundheitspflege zu betreiben, alternative Heilmethoden anzuwenden, aber sich auch gärtnerisch zu betätigen. Und dazu zählen Bewegungen wie Vegetarier, Antialkoholiker auch frei Körperkultur und auch die Turnbewegung. 

Ralph 

Und was jetzt diese dieser Ursprungslinie sehr nahe kommt, auch wenn man es vielleicht jetzt gar nicht vermuten würde. Das sind die Schrebergärten. Das ist nämlich jetzt ein ganz großer Punkt, auf den ich eingehen werde. Schrebergärten. Den Namen kennt ja glaub ich jeder. Und der kommt von Dr. Schreber. 

Lukas 

Echt? Ja. Krass. Okay, Weil ich dachte, Schreber heißt irgendwie so was wie. Keine Ahnung. so eine veraltete Form von Anbau. Irgendwie ein altes Verb, was es heute nicht mehr gibt. Oder irgendwas. Das ist wirklich nach einem Typen benannt? Geiler Funfact. Okay, erzähl mir mal das nächste. 

Ralph 

Ja, dazu hat Caterina Paetzelt auch was gesagt. 

Caterina Paetzelt 

Dr. Schreber wurde geboren 1808 hier in Leipzig und war dann nach seinem Studium der Medizin hier auch Arzt und Orthopäde in der Stadt. Um es gleich vorwegzunehmen Dr. Schreiber ist erst posthum Namensgeber geworden. Und Dr. Schreiber hatte auch nie die Idee, einen Kleingarten zu gründen. Dr. Schreiber wollte eigentlich nur, dass sich die Kinder, die ja schon viel in der Schule sitzen mussten, viele, viele Stunden lang, dass die sich eigentlich sportlich betätigen. 

Dr Schreiber war nämlich Mitbegründer des ersten Turnvereins hier in Leipzig, der überhaupt gegründet wurde. Er war dort Vorsitzender und Mitglied und selbst begeisterter Sportanhänger. Und diese sportliche Idee, auch im Zusammenhang mit der Erkenntnis, dass viele Kinder halt auch orthopädische Probleme hatten, führte dazu, dass er sich dafür ausgesprochen hat, sogenannte Spiel und Tummelplätze in der Stadt einzurichten, also Spielplätze, die es ja bis dato noch nicht gab. 

Lukas 

Das heißt, der Namensgeber des Schrebergarten, Dr. Schreiber, ist sozusagen auch der Erfinder der Spielplätze. 

Ralph 

Ich lege meine Hand nicht dafür ins Feuer, aber er ist zumindest einer der Miterfinder. Ja, ob er der einzige Erfinder ist, weiß ich nicht. Aber diese Spielplätze, die wurden dann zu der Zeit nicht Spielplätze genannt, sondern Schreberplätze. 

Lukas 

Und aus den Schreberplätzen, wie sind dann aus den Plätzen die Schrebergärten geworden? 

Ralph 

Das wurde so, in dem ein Pädagoge und Schuldirektor namens Ernst Innocenz Hauschild 1864 einen Verein gegründet hat, den er dann eben zu Ehren von Dr. Schreber Schreber Verein gegründet hat. Und da war dann relativ bald festgelegt, dass halt Gärten genutzt werden und in der Mitte dieser Gartenanlagen soll sich so ein Schreberplatz befinden. Also so ein Spielplatz für Kinder. 

Und außenrum wurden dann Beete angepflanzt. Also wurden Beete angepflanzt. Die hießen dann auch erst Kinderbeete, Also sollten sich die Kinder beteiligen. Aber irgendwie haben die dann relativ schnell die Lust daran verloren und dann wurde ein Familienbetrieb draus. Die Erwachsenen haben sich dann darum gekümmert und 1870 trat dann die erste Gartenordnung in Kraft und damit haben sich dann die Beete zu Gärten gewandelt. 

Die haben dann so einen Zaun bekommen und einen kleinen Schuppen nebendran. Und in dieser Zeit haben sich dann auch weitere Vereine gegründet, weil das anscheinend so erfolgreich war. Dann musste das Areal in Leipzig umziehen. Eines Tages war es da so ein Straßenbauvorhaben gibt und ist umgezogen. Nämlich dorthin, wo heute das Museumsgelände ist. 

Lukas 

Das Museumsgelände ist auch ein historischer Ort sozusagen. 

Ralph 

Richtig. Und das Museumsgebäude ist auch ein historischer Ort, denn es ist das damalige Vereinsheim vom Schreberverein. Ist auch immer noch aktuell das Vereinsheim vom Verein. 

Lukas 

Ah, okay, krass. Gibt es da nicht diese Schreber Vereine nur in Deutschland oder gibt es die auch darüber hinaus? 

Ralph 

Ähm, bei den Schrebervereinen weiß ich’s nicht, aber Schreberverein ist im Endeffekt ja eine Art von Kleingarten und Kleingärten gibt’s weltweit. So hat mir zum Beispiel Caterina Paetzelt erzählt, dass auch öfter mal internationale Gäste kommen, um den Verein und auch das Museumsgebäude zu besuchen. Und das sind dann zum Beispiel auch Leute aus Japan dabei. Also auf internationaler Ebene gibt’s eine Föderation  

Ralph 

Diese Vereinigung ist die größte europäische Freizeitorganisation mit über 2 Millionen Kleingärtnerfamilien und Kleingärtnern aus 13 Ländern. 

Lukas 

Krass. 2 Millionen? 

Ralph 

Ja. Und kleiner Funfact. Da habe ich jetzt aber nicht weiter recherchiert. Diese Vereinigung hat sogar einen partizipativen Status im Europarat. 

Lukas 

Krass. Na ja, gut, bei 2 Millionen ist auch echt einiges. 

Ralph 

Ich komm jetzt aber wieder zurück zum Schreberverein. Da war es nämlich so, dass ja am Anfang die körperliche Ertüchtigung der Kinder im Vordergrund stand. Also was im Turnen herauskam. Und dann kamen da diese Beete dazu. Also man hat ein bisschen Sachen angepflanzt, aber das Ganze hat auch so ein bisschen, soll ich sagen, Ja, so ein Weib wie bei weiß ich nicht, wie bei Jugendfreizeiten halt einfach das Kinder und Jugendliche da Verantwortung übernommen haben in der Gruppe, dass sie sich drum gekümmert haben, dass der Spielplatz und die Beete intakt gehalten worden sind usw. 

Und es ging auch darum Kinder zu fördern, die benachteiligt sind. Also Kinder aus armen Familien beispielsweise. So gab es zum Beispiel eine Zeit lang die Milchkolonien. Hast du davon schon mal gehört? 

Lukas 

Nee. 

Ralph 

Bei den Milchkolonien war es so, dass auf dem Platz während der Sommerferien vergünstigt Milch verkauft wurde und kränkliche oder besonders erholungsbedürftige Kinder. Das haben sich vorab dann Ärzte oder Ärztinnen angeguckt. Die haben dann eine Milchkarte bekommen und mit der konnten die dann während der Sommerferien unentgeltlich Milch erhalten und auch ein bisschen Brötchen und Gepäckstücke.  

Also das sind jetzt diese ganzen Ursprungslinien, die ich aufgezählt habe. 

Ich versuche es noch mal zusammenzufassen. Also die Schrebergärten, die wir jetzt grad haben, die Berliner Lauben Kolonisten, die Arbeitergärten des Roten Kreuzes, Gärten von Betrieben und Gärten, der Naturheilbewegung und Armengärten. So also sechs Ursprungslinien gibt es. Und ich spring jetzt mal an der Zeit, weil die haben sich dann alle vermischt. Die wurden dann alle zusammengefasst zu Kleingärten. So, und nach dem ersten Weltkrieg, da war die Wohnungsnot auch sehr groß und es gab Lebensmittelknappheit und da wurde dann staatlich auch das Kleingartenwesen gefördert, indem die Pachtpreishöhe eingeschränkt wurde und städtisches Gelände zur Gartenbaustellung bereitgestellt worden ist. 

Lukas 

Ah, cool. 

Ralph 

Und auch ein Funfact als sich die Weimarer Republik gegründet hat, 1919, war die Kleingarten und Kleinpacht Landordnung eins der ersten Gesetze, die beschlossen worden ist. 

Lukas 

Ernsthaft? 

Ralph 

Ja, nur wenige Monate nach der Gründung. 

Lukas 

Also das heißt, der Kleingarten ist wirklich im modernen deutschen Staatswesen irgendwie sehr eng verankert. 

Ralph 

Ja, es ist wohl ein Stellenwert auf jeden Fall. Und 1921, also ein paar Jahre später, hat sich dann auch der erste Dachverband gegründet, in dem alle Vereine dann untergebracht waren. Der sogenannte Reichsverband, der Kleingarten vereine Deutschlands. Und der hat verfolgt, dass so eine gerechte Regelung der Pachtpreise gibt und dass auch Dauerkolonien eingerichtet werden konnten. Also dass diese Kleingärten da stehen bleiben durften. 

Ist auch immer noch heute so in da komme ich auch noch später dazu. Ja, wir springen wieder ein bisschen in der Zeit, weil da war es dann erst mal ruhiger. Da kann ich jetzt gar nicht so viel zu erzählen. Und dann im Nationalsozialismus war es so, dass dann auch das Kleingartenwesen gleichgeschaltet worden ist. Das heißt, da sind dann halt Leute ausgetauscht worden und der Dachverband wurde dem Amt für Agrarpolitik unterstellt. 

Und die Kleingärten? Die sollten dann helfen von Importen unabhängig zu werden. Hat letzten Endes eigentlich nicht wirklich geklappt und es gab auch ganz. Ich finde lustige Auswüchse. Also das Kleingartenwesen. Da gab es dann so eine Idee, dass man Maulbeerbüsche anpflanzen sollte. Maulbeerbüsche. Wofür braucht man die, weißt du das? 

Lukas 

Nee. 

Ralph 

Für die Seidenspinnerraupe. Also, da sollten die ganz viele Maulbeerbüsche anpflanzen für diese Seidenspinnerraupe. Um so viel Seide zu gewinnen, die dann für die Fallschirmproduktion verwendet werden sollte. 

Lukas 

Ah, das hat aber nie geklappt. 

Ralph 

Nee, das hat nicht wirklich geklappt. 

Lukas 

Was ich mal gelesen habe. Ich glaube, das war damals im Bachelor sogar. Da habe ich mal ein Referat gehört und das fand ich irgendwie nett, weil das habe ich mir gemerkt und zwar, da hat jemand analysiert anhand von nationalsozialistischen Gärtnerzeitschriften, wie die Versorgungslage im Krieg gewesen sein musste. Gemessen an dem, was quasi als Nahrungsmittel in diesen Zeitschriften empfohlen wurde, also ab dem Zeitpunkt, wo man quasi gesagt hat Ja esst Kohl Suppe oder esst Kartoffelschalen-Suppe oder was weiß ich, weil da sind total viele Vitamine für euch drin. 

Lukas 

Und zweitens konnte man darüber Rückschlüsse ziehen über die Ernährungssituation und darüber auch über die aktuelle Kriegssituation. Das fand ich total spannend, wie man quasi vom Kleingarten, also wobei, das ist ja auch große Landwirtschaft. Ich meine, Kleingarten werden dann ja auch ihre Bedeutung gehabt haben. Es schon spannend, was man da für Rückschlüsse auf die gesamte Gesellschaft ziehen kann. 

Ralph 

Ja, total. Also Kleingärten wurden ja auch da einbezogen in diese Lebensmittelproduktion, also durch diese Gleichschaltung, das wurde ja forciert, dass dann die Kleingärten zu einem gewissen Teil die Produktion übernehmen sollten. Geklappt hat es nicht wirklich. Die Kleingärten wurden auch für andere Zwecke verwendet. Es wurden dort Zwangsarbeiter untergebracht. Auch Militärbauten wurden in Kleingartenanlagen untergebracht oder auch so Flaks zum Beispiel hat man da aufgestellt. 

Aber zu der Zeit kann dir auch Caterina Paetzelt noch mal was erzählen. 

Caterina Paetzelt 

Die Kleingärten in der Zeit des Nationalsozialismus waren auch ein Ort zum Beispiel von Widerstand oder von Verstecken. Es gab Leute, die ja so ein bisschen die vermeintliche Anonymität in einem Kleingarten verwendet haben, um sich dort zu treffen, in den Lauben oder um dort auch Leute zu verstecken. Berühmtestes Beispiel ist der Hans Rosenthal, der ein Jahr und ein halbes Jahr in einer Kleingartenanlage in einem kleinen Bretterverschlag an der Seite überlebt hat, als Jude und hätte die Pächterin den nicht versteckt, hätte er das wahrscheinlich auch nicht überlebt. 

Lukas 

Kann ich mir auch gut vorstellen, dass das noch so eine Art Refugium in der Stadt ist. Für politisch Verfolgte. Oder auch wahrscheinlich etwas, was sich einfach wahnsinnig schwer überprüfen lässt. 

Ralph 

Kennst du Hans Rosenthal? 

Lukas 

Nee, noch nie gehört.  

Ralph 

Okay, dann, in ganz wenigen Sätzen erzähle ich was über den. Ich kannte den vom Namen, aber wusste auch nicht viel und habe mir dann nur den Wikipedia Artikel durchgelesen. Gibt nicht so viel auf meine Worte, aber ich fand es ganz spannend, weil der ist halt in der jüdischen Familie in Berlin aufgewachsen und sein Vater hat bei einer Bank gearbeitet. 

Ralph 

Aber während des Nationalsozialismus, weil er Jude war, ist ihm dann gekündigt worden. Das dann kurze Zeit später dann auch gestorben. Die Mutter von Hans Rosenthal ist dann auch nur ein paar Jahre später an Krebs gestorben. Und Hans‘ Bruder, der, der wurde verschleppt und dann erschossen. Also Hans war dann nur noch übrig und der musste dann ab 1940 Zwangsarbeit leisten, Da war er noch nicht mal 20 und ist dann getürmt. 

1943 Und dann eben in den Kleingarten gegangen, um sich da zu verstecken, wie jetzt Katharina Pestel erzählt hat, bis der Krieg vorbei war. Und dann ging die Karriere von Hans Rosenthal los, muss man sagen, weil der war TV Moderator unter anderem von der Show Dalli Dalli. 80er irgendwie so und der war halt bekannt dafür, dass der dann immer so sich ans Publikum gewandt hat und gesagt hat, Sie sind der Meinung, das war… 

Und dann hat das Publikum wieder gerufen Spitze! Und Hans Rosenthal ist dann in die Luft gesprungen und das Bild wurde dann eingefroren. Das sieht man ganz oft. 

Lukas 

Na ja, der Name sagt mir schon was. Ja, jetzt, wo du das sagst mit Dalli Dalli und so, das okay. Also das heißt, man kann sagen, dass der Kleingarten das Überleben von Hans Rosenthal garantiert hat in dieser Zeit. 

Ralph 

Auf jeden Fall. 

Lukas 

Ja, das. 

Ralph 

Also noch mal zusammenfassend der Kleingarten, der wurde von den Nationalsozialisten auch missbraucht, aber gleichzeitig war es irgendwie ein Ort auch von Widerstand. Und ja. 

Lukas 

Okay, gut. 

Ralph 

Und in der Nachkriegszeit war es dann so, dass 1949 in Westdeutschland der Verband Deutscher Kleingärtner gegründet worden ist, der dann auch eine Ordnung drin hatte. Dass er nicht parteipolitisch ist und auch nicht konfessionell ausgerichtet und ausschließlich gemeinnützigen Zwecken dient. Und in Westdeutschland lief das alles so ganz gut. Aber in der DDR, da gab es Widerstände. 

Caterina Paetzelt 

Unter Walter Ulbricht waren Kleingärten aufgrund ihrer Vereinsstruktur gar nicht so gerne gesehen. Also Ulbricht hat die gar nicht gefördert und erst mit Honecker hat sich dann auch quasi auf parteipolitischer Ebene dieses Image gewandelt. Und es wurde erkannt, dass Kleingärten wichtig sind, um auch die Standards ernährungsmäßig zu erhöhen für die Bevölkerung der DDR. Und deswegen wurden damals auch noch mal Mitte der 70er Jahre massiv Kleingartenflächen in den berühmten Neubauvierteln der DDR gleich mit eingeplant. 

Deswegen ist es heute ganz gut sichtbar, wenn sie in so einem Neubauviertel unterwegs sind. Da ist immer irgendwo eine Kleingartenanlage. 

Lukas 

Jetzt mal unabhängig von dem, was Caterina Paetzelt gesagt hat, ist da eine Vogel Aufzucht im Hintergrund, weil du so krass viel Vogelgezwitscher hörst? 

Ralph 

Ja, wir waren im Museum und die haben so eine Zwitscherbox aufgestellt, sodass man da immer Vogelgezwitscher hört. 

Lukas 

Künstliches okay, aber das ist künstliches Vogelgezwitscher. Ja, okay, alles klar. Okay, zurück zu Geschichte. Auch interessant, dass der Kleingarten dann für die DDR Führung so ein Politikum dargestellt hat. Oder möchte man ja auch meinen, dass es wichtigeres gibt als Kleingärten. Aber offensichtlich ist halt dem Staat nichts unwichtig, vor allem nicht der DDR. 

Ralph 

Na ja, die war da schon sehr paranoid, würde ich mal sagen. 

Lukas 

Und da hätten wir es ja wieder. Es gibt halt viele Parallelen zur Gießkannen Folge. Ich hoffe, dass du auch ein Hörspiel vorbereitet hast über die Spionages, weil die Hans Rosenthal Geschichte die wäre zum Beispiel auch sehr cool gewesen. Oder?  

Ralph 

Ja. Aber nein.  

Es hat sich jedenfalls dann 1959 in der DDR der Verband der Kleingärtner, Siedler und Kleintierzüchter gegründet. Und darin gab es die Fachrichtungen: Ich habe die jetzt mal alle aufgelistet die Rassekaninchenzüchter, die Rassegeflügelzüchter, die Ziergeflügelzüchter, die Exoten und Kanarienzüchter, die Edelpelztierzüchter, die Ziegen- und Milchschafzüchter, die Rassehunde- und Rassekatzenzüchter und die Bienenzüchter. 

Ralph 

Die haben ja alle ihre eigenen Anstecknadeln und und und Symbole usw. 

Lukas 

Zierhuhnzüchter wäre ich gerne geworden. 

Ralph 

Ziergeflügelzüchter. 

00:31:33:21 – 00:31:34:24 

Lukas 

Bin ich Pfauzüchter? 

Ralph 

Du hättest ja auch noch Rassegeflügel. 

Lukas 

Rassegeflügelzüchter. Zücht ich da Rebhühner, die dann nicht gegessen werden, sondern als mit gestutzten Gefieder irgendwelche ehemaligen Höfe verschönen?  

Ralph 

Das wäre wahrscheinlich was für die Exotenzüchter. 

Lukas 

Also wenn jemand von euch da draußen weiß, was der Unterschied in der DDR war zwischen einem Ziergeflügelzüchter und einem Exotenzüchter, bitte melden. 

Ralph 

Ja bitte.  

Und nach der Wiedervereinigung, da wird dann dieser Verband aufgelöst und überführt in den von Westdeutschland. Und das heißt dann verband der Garten und Siedler Freunde. Und jetzt, mehr als 100 Jahre nach Gründung des ersten Kleingartenverbands Deutschland, Das war ja dieser Reichsverband der Kleingartenvereine Deutschland 1921, also über 100 Jahre her gibt es hierzulande, also in Deutschland rund 14.000 gemeinnützige Kleingartenvereine, 14 mit 5 Millionen Mitgliedern. 

Lukas 

5 Millionen Mitglieder. Ja krass, da muss ich ja mal meine Eltern fragen, ob sie da auch in so einem Kleingartenverein Mitglied sind. 

Ralph 

Bestimmt. Wenn die Kleingärtner sind. 

Lukas 

Millionen Mitglieder. 

Ralph 

Und wenn jede Stadt einen Kleingartenverein hat oder vielleicht mehrere sogar? Ja, hier, hier in meiner Kleinstadt gibt es auch einige. Da kommt schon einiges zusammen. 

Lukas 

Ja, es kann mir vorstellen. Aber 5 Millionen sind echt eine Zahl. 

Ralph 

Ja. 

Lukas 

Also von daher keine Ahnung. 

Ralph 

Ich hatte schon angekündigt, dass diese Kleingärten einen sozialen Aspekt haben und das ist auch schon, glaube ich, durch die Geschichte einigermaßen rausgekommen. Durch diese Armengärten usw. Und da sagt aber Caterina Paetzelt auch noch mal was dazu, dass sie aktuell auch immer noch einen Wert haben. 

Caterina Paetzelt 

Und ohne eine gesetzliche Sicherung und eine rechtliche Absicherung würde es Kleingärten heute gar nicht mehr geben, weil natürlich Schlagwort Gentrifizierung in den Städten die Grundstücke natürlich finanziell viel mehr hergeben würden und das Kleingartenwesen aber gesetzlich geschützt, also die Anlagen, die es gibt, die kann man nicht so ohne Weiteres wieder auflösen. Und dafür gibt es ja zum Beispiel das Bundeskleingartengesetz. 

Ist natürlich verknüpft mit ein paar Bedingungen an die Vereine, an die Pächter. Das sind dann meistens die Punkte, die irgendwo mit diesen spießigen Image in Verbindung gebracht werden. Ja, aber wer was will, muss was tun. Und das ist auch beim Kleingärtner so. 

Lukas 

Ja krass. Nö, kann ich total nachvollziehen. Also stimmt dieses Spießerimage, was Kleingarten so anhaftet. Aber ich kann mir schon vorstellen, wie das kommt, weil ich meine, es hört sich ja auch erstmal total wild an die deutsche Kleingartengesetzgebung oder whatever. Ich glaube auch, dass wir für Artenvielfalt und Erhalt von natürlichen Lebensraum auch innerhalb einer Stadt innerhalb eines Ballungsraums total wichtig sind. 

Ralph 

Und dass sie halt Leuten, die nicht so viel Geld haben und die jetzt keinen Garten in ihrem Grundstück haben, weil sie vielleicht auch kein Grundstück haben, denen wird halt die Möglichkeit gegeben, dass sie dann halt einen Garten haben, weil dieses Kleingartengartengesetz, das besagt, dass die Pacht maximal der vierfache Preis von dem sein kann, was im gewerblichen Bereich gezahlt wird. 

Ralph 

Also es gibt so eine Preisdeckelung, um jetzt mal eine Zahl zu haben: Im Schnitt kostet ein Quadratmeter Kleingarten 0,18 € pro Jahr pro Jahr. 

Lukas 

Pro Jahr. 

Ralph 

Ja, das heißt im Endeffekt, wenn du einen Kleingarten hast, dann zahlst du pro Jahr dafür vielleicht so zwei 300 €. 

Lukas 

Und dann ist es dein Kleingarten. 

Hopp! Lass uns eine Kleingartensiedlung in Weiden aufmachen! 

Ralph 

Das hat inzwischen halt lange Wartezeiten. Da muss man mal gucken, was man da raus kriegt. Ich kann mir ja mal anfragen. 

Lukas 

Komm mach, das ist witzig.  

Ralph 

Also in dem Museum. Da gibt es dann noch so Dokumente zu sehen und ganz viele Fotos auch von früher. Und es gibt auch eine Kabinettsausstellung mit wechselnden Themen. Als ich da war, war das Thema Kitsch, Gartenzwerg und man hat halt Gartenzwerge gesehen und auch woher kommt das usw. 

Ralph 

Das hebe ich mir jetzt mal auf, weil ich glaube, es gibt in Deutschland auch ein Gartenzwerg Museum. Aber was ich ja schon angesprochen habe, es gibt auch diese Schaugärten draußen vor dem Museumsgebäude und da gibt es einen Garten der sogenannte Laubengarten. In dem sind vier historische Lauben aufgestellt und die reichen vom Jahr 1890 bis 1925. 

Also sie standen nicht von Anfang an dort, sondern die wurden da hin transportiert und aufgebaut. Viele Teile davon sind aber noch original, also was man original erhalten kann, das wird auch versucht original zu erhalten. Und bei einer Laube ist mir aufgefallen Hä? Die die Dachrinne sieht irgendwie komisch aus. 

Caterina Paetzelt 

Diese Regenrinnen aus Holz haben wir nacharbeiten lassen von dem Tischler. Finden Sie mal einen Tischler, der Ihnen Regenrinnen hobelt. Die ersten drei Leute haben aufgelegt am Telefon, weil sie dachten ich bin Spaß Radio. Und dann haben wir aber einen gefunden, der hat die tatsächlich selber noch aus dem Stück gehobelt und hat die auch noch geteert. Und ich lerne hier jeden Tag auch dazu, auch jetzt noch. 

Ralph 

Weil im Original, das eben auch eine Holzregenrinne hatte. 

Caterina Paetzelt 

Ja. 

Ralph 

Also ich habe auch für alle Leute, die es interessiert und jetzt auch für dich habe ich auch ein paar Fotos von meiner Lieblingslaube. Es ist die Kirschbaumlaube aus dem Jahr 1924. Kannst gern mal angucken. 

Lukas 

Die sieht wirklich schön aus. Also ich beschreibe mal kurz, was ich da sehe. So ein Haus mit so einem, mit so einem doppelten Walmdach und außen sind verschiedene Türen dran, mit Ornamenten drauf. Die Türen sind an einem Grasgrün gestrichen. Dazwischen gibt es Fenster, die wiederum auch einen eigenen Walmdachaufsatz haben und mit so Gardinen gehäkelten. Und ich weiß nicht, wie man das dann nennt gestrickten Gardinen versehen sind. 

Also das sieht alles sehr nach 1920 aus. Stimmt. Und wenn ich jetzt in den Innenbereich gehe, hab ich mir das auch so vorgestellt. Also ein Tisch mit weißen, relativ rustikalen Möbeln, unseren Tischdeckchen drüber, eine Gasflasche im Hintergrund zwickt es die geflochtenen Korb und ich weiß nicht, was dieses rote Ding ist. Ein Ofen oder irgendwie so was oder in diesen Schrank. 

Ralph 

Ich glaube, das ist nur ein Schrank. Aber es gibt auch Lauben mit Ofen drinnen.  

Das ist so mein Abschluss davon. Die habe ich mir dann auch zuletzt angeguckt. Es gibt dann auch noch einen Entdeckergarten, in dem es Veranstaltungen gibt, wo man gerade für Kinder Jugendliche, aber ich glaube auch für Erwachsene, wo man einfach so ein bisschen was erfährt über Natur, Umwelt, Garten usw. 

Also ich war da insgesamt, ich glaube oder zwei Stunden und muss sagen bis jetzt bin ich schon so durchgesprintet, weil man kann da wirklich einen halben Tag verbringen um sich das alles in Ruhe anzugucken. Am besten an sonnigen Tag. Natürlich, um sich außen alles anzugucken und vielleicht auch mit den Kindern, weil es gibt ja auch ein Spielplatz da drin. 

Lukas 

Wie viele Menschen besuchen denn dieses Museum? 

Ralph 

Beliebte Frage also pro Jahr sind mehr als 7000 Besucher. 

Lukas 

Mehr als 7000? Ja, krass. Okay. 

Ralph 

Falls du Fragen hast, weitere Fragen. Hau raus. Ich versuchs zu beantworten. 

Lukas 

Nee, also, ich bin total fasziniert. Natürlich habe ich ein paar Folgefragen, aber das würde jetzt, glaube ich, zu weit gehen, weil wir so unendlich verschiedene Dinge angesprochen haben. Ich find’s super spannend, wie alles miteinander zusammenhängt und wieso der Kleingarten so viele verschiedene Dimensionen hat. So cool. Also danke für die Folge habe ich wirklich viel gelernt und das mit endlich zu wissen, woher dieser Schrebergarten kommt. 

Lukas 

Ich bin jetzt noch nie nachts eingeschlafen, dachte mir, woher kommt der Schrebergarten? Und ich dachte mir ja auch keine Ahnung, das kann man sich auch wahrscheinlich relativ leicht ergoogeln, aber trotzdem ist es so, wenn man irgendwie viel unterwegs ist. Man kommt immer an Schrebergärtensiedlungen vorbei und ich habe mir immer gedacht okay, hä, was steckt mehr dahinter? Warum gibt es die eigentlich? 

Warum heißen die so? Und jetzt bin ich da ein bisschen schlauer. Vielen Dank. 

Ralph 

Ja, aber da musst du mitnehmen, dass halt nicht jeder Kleingarten, den du siehst, ein Schrebergarten ist. Schrebergarten haben in der Mitte eben so ein Spielplatz für Kinder. 

Lukas 

Genau. Und ich glaube, Schrebergärten müssen auch nicht zwangsläufig für Gemüse oder Anbau von irgendwas genutzt werden, oder? 

Ralph 

Doch, das kommt auch noch dazu. Also diese Drittelregelung gilt dann auch für den Schrebergarten. Weil Schrebergarten ja Teil des Kleingartens und der Kleingarten der unterliegt ja diesem Bundeskleingartengesetz. Da gibt es eben diese Drittelregelung. 

Lukas 

Also das heißt, ich kann jetzt nicht einfach ein Schrebergarten pachten und dann quasi keine Ahnung, einfach eine Laube draufstellen, einen Baum pflanzen und irgendwie Rasen auslegen, sondern ich muss da auch wirklich auf einer Drittelfläche dann noch was anbauen. 

Ralph 

Ja, genau. Und es gibt sogar noch eine Maximalgröße für die Laube. Die darf nicht größer als 24 Quadratmeter sein. Okay, das hat sich irgendwie so durchgesetzt. Ich weiß schon gar nicht mehr, warum. Und in der DDR gab es ja diese ganzen Züchtervereine usw. Also Tiere darfst du auch nicht halten im Kleingarten. Das gab es in der DDR, aber danach nicht mehr. 

Ausnahme Bienen. 

Lukas 

Alles klar. Ist ja sehr schön. Dann lieber Ralph, vielen Dank für diese tolle Folge und ich hab auf jeden Fall Lust, wenn ich das nächste Mal in Leipzig bin, da mal vorbeizuschauen. Das hört sich wirklich spannend an. 

Ralph 

Das freut mich. Und jetzt freue ich mich ja drauf, was es in der nächsten Folge zu hören gibt, denn da wirst du wieder unterwegs sein. 

Lukas 

Genau. Und da geht es um ein Museum und um eine Tätigkeit oder um etwas, das heute einen, ich sag mal, ziemlich beschissenen Ruf hat, aber historisch ganz anders betrachtet wurde. Also es geht um ein Museum und dann parallel habe ich noch einen zweiten Ausflug für dieses Schiff unternommen und es wird um die Geschichte von etwas gehen, von einer Tätigkeit, eines Konsums, der heute den beschissensten Ruf ever hat, aber damals eben nicht. 

Und wie es dazu gekommen ist, was das alles impliziert und wie sich das auch auf unsere Gesellschaft ausgewirkt hat. 

Ralph 

Sehr vage, aber auch sehr spannend und sehr wichtig klingt dasirgendwie.  

Dann sage ich mal, wenn euch diese Folge gefallen hat, liebe Zuhörerinnen und Zuhörer, dann teilt doch die Folge, teilt unseren Podcast und vergesst auch nicht, selbst den zu abonnieren und keine Folge zu verpassen. Wir betreiben Bitte nicht anfassen ehrenamtlich. Das heißt wir bekommen kein Geld dafür. Wir fahren immer sehr gerne hin, aber auf unsere Kosten, wenn ihr uns da irgendwie unterstützen möchtet. Wir freuen uns auch über Spenden. 

Lukas 

Das könnt ihr zum Beispiel tun über GoFundme. Da haben wir eine aktuelle Kampagne oder über Steady. Da könnt ihr ein Abonnement abschließen. Und wir sind natürlich auch immer wieder dankbar für Empfehlungen von Museen, Weiterleitungen usw. und so fort. Und Feedback genau. Von daher bis zum nächsten Mal und ciao. 

Ralph 

Ciao, ciao!