BEHIND THE SCENES von “Jenseits der Schwerkraft”

Wir betreuen Projekte, die im Großen und Ganzen so ablaufen, wie wir uns das vorgestellt haben: klarer Ablaufplan, klare Umsetzung. Und es gibt Jenseits der Schwerkraft. 

Hinweis: Wie im Podcast greifen wir auch hier die Themen Tod und Sterben auf. Für einige Personen kann das belastend oder traumatisierend sein. Wir haben dir hier Hilfsangebote verlinkt, falls du mit jemandem darüber reden möchtest:  

 

Erste Hilfe bei aller Art von Stress, Trauer und seelischen Problemen bis hin zu Suizidgedanken bietet die Telefonseelsorge: 0800.1110111 

 

In Freiburg gibt es eine Selbsthilfegruppe für junge Trauernde: https://trauerlebenfreiburg.org/  

 

Außerdem hat der Arbeitskreis Leben viele Hilfsangebote in Lebenskrisen.  

Anfang 2023 erhielten wir den Auftrag, eine Podcast Serie für die Klinikseelsorge des Erzbistums Freiburg umzusetzen. Darin sollten wir die Arbeit des ambulanten Kinderpalliativteams an der Uniklinik Freiburg vorstellen und Berührungsängste beim Thema Tod nehmen. Rund ein Jahr später haben wir die sechsteilige Serie Jenseits der Schwerkraft – Unterwegs mit dem Kinderpalliativteam veröffentlicht. 

Es gab erste Telefonate und Videokonferenzen mit dem Team, bald darauf ein erstes Kennenlernen vor Ort. Und eine Herausforderung, die uns das ganze Projekt über begleiten sollte: Wo das Palliativteam gebraucht wird, ist gar nicht so verlässlich vorauszusagen. Zwar gibt es Termine, aber auch immer wieder Änderungen im Ablaufplan. Denn der Zustand einer Patientin bzw. eines Patienten kann sich schlagartig ändern.  

Weil wir hunderte Kilometer von Freiburg entfernt wohnen, ergab sich die praktische Frage: Wann wäre der beste Zeitpunkt, um Interviews vor Ort zu führen und mit dem Team mitzulaufen? Um einen besseren Überblick zu bekommen und vor allem auch die Intensität des Themas kennenzulernen, verbrachte Lukas ein paar Tage als inoffizieller Praktikant vor Ort. 

Vertrauen 

Jenseits der Schwerkraft ist ein sehr kooperatives Projekt. Wir haben die Erfahrung und Expertise des Palliativteams unter der medizinischen Leitung von Dr. Miriam van Buiren genutzt. Im Hinblick auf Patient:innen-Schutz und körperliche sowie psychische Verfassung hat sie koordiniert, welche Familien für das Projekt geeignet sind und dafür gesorgt, dass sich die Teammitglieder Zeit für uns genommen haben 

Miriam van Buiren konnte am besten einschätzen, wann Lukas die Interviews führen sollte. Unser Budget gab es nicht her, zwei Personen über mehrere Tage zu Interviews zu schicken. Das bedeutete aber auch: Eine Person kann nur an einem Ort gleichzeitig sein.  

Eine Woche quartierte sich Lukas in Freiburg ein und hielt sich bereit. Konnte er mit keinem Team mitfahren, führte er Interviews im Krankenhaus. Hausbesuche waren eng getaktet. Schlussendlich hatten wir mehr als 20 Stunden Audiomaterial, das in etwa 350 transkribierten Seiten entspricht. Das erscheint viel, war aber zu wenig für das, was wir ursprünglich im Kopf hatten. 

Der Masterplan 

Jenseits der Schwerkraft sollte eine O-Ton-Reportage werden. Eine sehr ambitionierte: sechs Folgen, sechs Protagonisten. 20-30 Minuten Länge pro Folge. Keine Narration von außen. Die Protagonisten sollten Erzähler:innen ihrer eigenen Geschichten sein. Wobei wir auch im Sinn hatten, Lukas für eine Folge als Protagonist einzusetzen.  

Aus mehreren Gründen hat es nicht funktioniert: Wir konnten keine Vorgespräche mit den Eltern bzw. Patient:innen führen, wir erfuhren oftmals erst am selben Tag, wen wir interviewen würden. Darüber hinaus ist der Arbeitstalltag im Team eng getaktet, sodass auch während der Mitfahrten im Auto keine großen Pufferzeiten für Änderungen oder spontane Ergänzungen möglich waren. So hatte Lukas nur wenige Stunden, um die Eltern bzw. Patient:innen kennenzulernen. 

Mit dem Material konnten wir uns bei ein paar Protagonisten eine O-Ton-Reportage vorstellen, allerdings nicht, um alle Aspekte des Themas abzudecken. Zugunsten eines einheitlichen Konzepts entschieden wir uns dagegen. Wir etablierten Lukas als denjenigen, der das Ganze zusammenhält, als denjenigen, der eine Reise antritt und dabei verschiedene Menschen kennenlernt, denen wir damit hoffentlich noch genügend Platz eingeräumt haben. Lukas ist derjenige, der die Eindrücke einordnet und als Person von außen auftritt. Und er hat eine weitere wichtige Aufgabe, er erklärt Sachverhalte, von der Entwicklung der Hospizbewegung über die Herkunft und Ausmaße von Krankheiten und ist derjenige, der Zahlen wiedergibt.  

Ausschnitt eines Diagramms mit den Beziehungen der einzelnen Personen untereinander, das wir im Laufe des Projekts angefertigt hatten.

Verantwortung 

Für uns war es eine große Herausforderung, dem Tod nicht zu viel Raum zu geben. Über Schmerzen, Trauer und harte Schicksale gänzlich hinwegzusehen, wäre dem Format aber auch nicht gerecht geworden. Aber: Es gab immer ganz viel Lebensqualität und Lebensfreude.  

Wir zeigen sehr transparent, wie Lukas mit diesen Widersprüchen umgeht und wie sich sein Verständnis von Tod in unserer Gesellschaft und dem, was im Leben wichtig ist, verändert. Das war uns sehr wichtig, weil wir im Laufe des Projekts zu dem Ergebnis gekommen sind, dass Lebensqualität etwas Individuelles ist und dass Lukas, Ralph, Patient:innen, das Kinderpalliativteam oder du das unterschiedlich definierst.  

Während der Arbeit an dem Projekt gab es immer wieder Momente, in denen wir kurz innegehalten und uns gefragt haben: Können wir das so schreiben? Wie wird das auf Betroffene wirken? Ist das zu persönlich? Machen wir uns angreifbar? Verletzen wir jemanden damit?  

Jenseits der Schwerkraft behandelt ein hochsensibles Thema. Betroffene haben sich uns anvertraut. Wir entscheiden, welche Teile der Interviews wir verwenden und wie wir deren Geschichten erzählen.  

Ein Beispiel, wie wir versucht haben, dieser Verantwortung gerecht zu werden: Folge 5 erzählt von Frau Henz, die ihr Kind verloren hat. Zunächst macht die Frau einen stabilen Eindruck. Im Laufe des Gesprächs merkt Lukas, wie Frau Henz um Tränen ringt, ihre Stimme zu zittern beginnt. Lukas schlägt ihr vor, eine Pause zu machen. Aufgrund der außergewöhnlichen Lage war während des Interviews eine Seelsorgerin dabei, die für Frau Henz schon seit Monaten zur engen Bezugsperson geworden ist. Nach einiger Zeit möchte Frau Henz das Interview fortführen. Das Material ist nicht leicht anzuhören.

Doch es wird klar, dass es Frau Henz ein wichtiges Anliegen ist, ihre Geschichte zu erzählen. Zu diesem Zeitpunkt ist sie die einzige Person, mit der wir gesprochen haben, deren Kind gestorben ist. Sie hinterlässt – vielleicht unfreiwillig – den Eindruck, dass verwaiste Eltern keine Lebensfreude mehr finden.

Um das zu gegenzuprüfen, haben wir uns darum gekümmert, im Nachgang mit einem weiteren Elternteil zu sprechen, der sein Kind verloren hat: Herr Schierenbeck. Sein Sohn ist ebenfalls an einer nicht heilbaren Krankheit verstorben. Das ist aber schon länger her als bei Frau Henz und ihrer Tochter. Auch wenn ihn der Tod seines Sohnes noch schmerzt, gibt er Grund zur Hoffnung. Etwas, das wir an dann auch so alle Hörer:innen weitergeben können. 

Hier ist ein Auszug davon zu sehen, wie wir uns Folge für Folge den Erzählstrukturen angenähert haben.

Der Rattenschwanz 

Ende 2023 begann die heiße Phase. Wir hatten das finale Feinkonzept, alle Interviews transkribiert, darin wichtige Stellen markiert, und erarbeiteten Folge für Folge die Skripte. Ein konstruktiver Prozess, bei dem erst Ralph und Lukas die Skripte gegenseitig redigierten, Miriam van Buiren und Silke Winkler vom Kinderpalliativteam prüften, danach unser Ansprechpartner des Erzbistums Freiburg, Björn Siller, und schließlich unser Kooperationspartner, die Badische Zeitung.  

In mehreren Abnahmeschleifen vollendeten wir die Skripte, die fast 150.000 Zeichen umfassen, und produzierten die Folgen mit dem Einsatz vieler Musikstücke und Soundeffekte. Aufgrund unseres Budgets nutzten wir sehr viele lizenzfreie Stücke. Wir sind sehr froh, dass wir für die Titelmusik Stephan Winter gewinnen konnten, der uns eigens dafür ein Stück komponiert hat.  

Daneben die üblichen Tätigkeiten: Covergestaltung von Sofia Wunderling, Titel, Beschreibungstexte, Show Notes, Social Media Teaser, Werbung. 

Was hier in wenigen Worten beschrieben ist, bedeutet viele Stunden Arbeit. Insgesamt ist Jenseits der Schwerkraft unser bislang aufwendigstes Projekt. Mehrere hundert Stunden Arbeit stecken darin. Vom ersten Brainstorming, dem Entwickeln und Verfeinern des Konzepts, Vorgesprächen, Interviewführung, Skripterstellung, bis zur Postproduktion. Dass wir den Podcast in dieser Art, in diesem Umfang, mit einem Budget im niedrigen fünfstelligen Bereich realisieren konnten, ist sicherlich der Tatsache geschuldet, dass wir ein kleines Team sind und über kurze Absprachewege weniger Zeit verlieren als größere Teams. Hinzu kommt, dass sich auf Kundenseite die Kommunikation ebenfalls auf wenige Personen beschränkt hat, so dass wir unkompliziert in Austausch gekommen sind. Hier möchten wir uns für das Vertrauen bedanken.  

 

Uns interessiert: welche Erfahrung hast du bei Podcastproduktionen in großen Teams gemacht und welche in kleinen Teams? Wo seht ihr Vor- und Nachteile? 

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