Hier steht Ihre Werbung! Das erste Podcast Event von Spotify in Deutschland war eine große Veranstaltung, mit vollem Haus, viel Bühnenprogramm und etwas zu viel Werbung. Ralph hat sie besucht.
Am vergangenen Donnerstag fand in Berlin der erste Podcast Kongress von Spotify statt, der All Ears Summit. Mit mehr als 1.000 verkauften Tickets war das Event ausverkauft. Auch ich war vor Ort, um Kontakte zu knüpfen sowie Trends und Tipps für zukünftige Produktionen aufzunehmen. Die Veranstaltung hatte Festival-Charakter: lange Schlangen am Eingang, mehrere Essensstände, Goodie-Bags und ein Programm auf drei Bühnen. Die Stimmung war locker, ebenso der Dresscode. Fand ich sympathisch.
Von den Programmpunkten, die ich gesehen habe war ich enttäuscht. Mir war klar, dass Spotify den Summit nicht selbstlos veranstaltet. Natürlich gab es Vorträge von Mitarbeitenden des Unternehmens, die die Vorzüge Spotifys angepriesen haben. Es gab aber auch Headliner, wie Ira Glass oder Sarah Koenig (beide remote zugeschaltet). Von ihnen hatte ich mir Tipps erhofft, die ich anderswo nicht erfahre. Beide sind weltbekannt für ihr gutes Storytelling. Aber wie so viele Vorträge an diesem Tag kratzten die Interviews mit Ira Glass und Sarah Koenig nur an der Oberfläche.
Medienunternehmen und Plattformen und vereinzelte Podcaster nutzten die Bühnen, um Werbung für ihre Formate zu machen. Das ist erst einmal in Ordnung. Allerdings hat das für mich einen faden Beigeschmack, wenn man mehr über die Formate erfährt als über die Arbeit dahinter oder die Erkenntnisse, die die Produzenten daraus ziehen konnten.
Verbesserungswunsch
Wenn ich mir hier etwas für die Zukunft wünschen darf, dann dass die Vorträge, Interviews und Diskussionsrunden uneigennütziger und gehaltvoller werden. Tatsächlich habe ich so gut wie nichts Neues gelernt, was ich nicht zuvor schon mittels kurzer Internetrecherche oder eigener Erfahrung herausgefunden hatte. Alles in allem war der Summit eine Werbeveranstaltung, für Spotify aber auch für die Speaker und Besucher:innen. Mich eingeschlossen. Es wäre gelogen, wenn ich schreiben würde, dass ich nur wegen der Programmpunkte gekommen bin. Es ging mir sogar zu einem großen Teil darum, potenzielle Auftraggeber:innen bzw. Partner zu treffen und einen Einblick in deren Arbeitsmodelle zu erhalten. Nur schade, dass es abseits der Bühne stattfand.
Recruiting
Recruiting bildete einen großen Teil der Veranstaltung: Spotify, Funk und Jan Böhmermann (er hat seit Anfang des Jahres eine Podcast-Produktionsfirma) haben allesamt nach Autor:innen aufgerufen, sich mit Ideen bei ihnen zu melden.
Das zeigt zum einen, dass es noch genügend Platz für neue Formate gibt, zum anderen bereitet mir die Entwicklung auf dem deutschen Podcastmarkt Sorgen. Die Branche (es ist einfach keine Szene mehr) hat sich in den vergangenen Jahren professionalisiert.
Wer jetzt in den Charts ganz vorne mitspielt, das sind größtenteils Produktionen von Plattformen wie Spotify, Audible oder Amazon Music oder Produktionen von Medienhäusern sowie Produktionsfirmen.
Zukunftsängste
Ich befürchte, dass das Angebot an Podcasts, das einem Großteil der Hörerschaft präsentiert wird, dadurch sowohl in der Themenauswahl als auch in der Aufbereitung immer ähnlicher sein wird. Die Entscheidung darüber, was produziert wird und was nicht, fällen immer die gleichen Personen. Podcasts sind für viele ein Investment geworden. Wenn eine Produktionsfirma beispielsweise ihren Gewinn aus Werbeeinnahmen generiert – was nicht unüblich ist – dann werden vornehmlich Formate produziert, die hohe Aufrufzahlen liefern. Auch bei den Öffentlich-Rechtlichen spielt diese Metrik eine große Rolle.
Die Charts sind nicht so wichtig
Der Anspruch von Organisationen sollte aber ein anderer sein: nicht wie viele, sondern wer einem zuhört. Noch immer können auch kleinere Produktionen Menschen erreichen, die sie erreichen möchten. Seien es potenzielle Käufer:innen eines Produkts oder Besucher:innen einer Einrichtung. Podcasts bieten weiterhin die Möglichkeit neue Zielgruppen zu erschließen und bestehende Zielgruppen bei sich zu halten und in direkten Austausch mit diesen zu treten. Man sollte sich nur nicht der Illusion hingeben, dass es der eigene brandneue Podcast so leicht hat, von vielen Hörer:innen gefunden zu werden wie noch vor fünf Jahren. Gleichzeitig wächst die Zahl derjenigen, die Podcasts konsumieren und ist deutlich höher als vor fünf Jahren. Soll heißen, Marketing ist wichtiger geworden und lieber auf Qualität statt Quantität setzen.
Bis zum nächsten Mal
Um damit meine Erfahrung auf dem Summit abzuschließen: weniger Programmpunkte, die dafür „tiefergehen“, würden der nächsten Veranstaltung guttun. Ich weiß schon jetzt, dass ich nächstes Mal wieder kommen werde; wegen der Leute. Denn die lockere Atmosphäre hatte auch etwas von Klassentreffen. Und ich werde wiederkommen aus Neugier, was Spotify aus dem ersten Summit gelernt haben wird.